Die Sache mit dem Eierkocher
Ein guter Bekannter hat mir vor einiger Zeit seinen Eierkocher zur Begutachtung überlassen. Erworben im Jahr 2002, hat das gute Stück seitdem an nahezu jedem Werktag seinen Dienst verrichtet. Dabei ging es eher selten um das Eierkochen, die überwiegende Anzahl an Zyklen hat das Gerät als (zweifelsohne sehr lauter) Morgenwecker gedient. Also lediglich Wasser rein und keine Eier, zusätzliche Zeitschaltuhr programmiert, zu Bett gehen und am nächsten Morgen definitiv geweckt werden.
Irgendwann, als das Gerät wieder einmal für den nächsten Morgen vorbereitet und der Bekannte zu Bett gegangen war, fing der Eierkocher an, geheimnisvolle Geräusche zu machen. Ein sehr leises „Britzeln“ nur, gelegentlich sogar leise „Ploppgeräusche“, ähnlich wie bei einer Popcornmaschine. Der Bekannte konnte sich dies nicht erklären und hat sich dabei zunächst auch nichts gedacht. Am nächsten Morgen wurde er wie gewohnt pünktlich geweckt.
Es ist einige Male so gegangen, bis das Britzeln dann an einem Abend zu einem Brutzeln wurde, und statt eines Ploppgeräusches plötzlich eine „kleine Explosion“ mit lautem Knall und blauem Blitz den betankten Eierkocher regelrecht zum Umkippen brachte und dabei auch die Überstromsicherung auslöste. Seitdem wurde das Gerät nicht mehr verwendet.
Nun stellen sich zwei Fragen: Was kann einen Eierkocher dazu veranlassen, zu britzeln und zu ploppen? Und woher kam der daran mutmaßlich beteiligte elektrische Strom, wenn die Zeitschaltuhr doch am Abend abgeschaltet war?
Die zweite Frage ließ sich schnell mit einem Messgerät klären: Die verwendete Zeitschaltuhr schaltet nicht allpolig, sondern einpolig, und war bei dem Bekannten so eingesteckt, dass permanent die Phase am Eierkocher anlag. Der Eierkocher war zudem noch in „Warteposition“ eingeschaltet, so dass die Phase auch ganz sicher auf einer der beiden Zuleitungen weit in dessen Inneres geführt wurde.
Zur Klärung der ersten Frage wurde der Eierkocher vor der Entsorgung zerlegt. Hierzu ist anzumerken, dass die Schale außen stark verkalkt und reinigungsbedürftig war. Gleich nach dem Öffnen bröselte dann der Kalk nur so aus dem Gerät heraus, und nachdem die auch innen verkalkte Schale mit Heizelement entnommen war, tat sich an einer Seite ein deutlich sichtbares Loch darin auf. Das hätte man bei entsprechender Reinigung auch von außen erkennen können. Durch dieses Loch drang bei jeder Befüllung etwas Wasser ins Innere, was zu einer schleichenden Verkalkung und Kriechstrombildung führte.
Das mit einem Schutzleiter versehene Gerät wurde im Altbau an einer Elektroinstallation mit klassischer Nullung betrieben. Somit bleibt offen, ob die Kriechströme die Größenordnung zum Auslösen eines 30 mA Fehlerstromschutzschalters erreicht haben könnten. Unklar bleibt mir auch, ob es sich bei der „kleinen Explosion“ um einen schlichten Kurzschluss, z.B. durch im Gehäuseboden stehendes Wasser, oder gar um eine Knallgasexplosion gehandelt hat.
Ich koche meine Eier immer analog im Kochtopf. Ich habe es nie verstanden, dass Menschen ihre Eier im strombetriebenen Eierkocher kochen. Ich koche auch meinen Kaffee nicht im strombetriebenen Kaffeekocher. Ich rasiere mich auch nicht elektrisch. Ich glaube, dass Menschen, die zuviele der alltäglichen Tätigkeiten auf elektronischem Wege erledigen, einen Husch haben. Andererseits … sind wir nicht alle ein bisschen Bluna?
Ansonsten aber ist der Artikel nicht nur sachlich, sondern auch ganz unterhaltsam geschrieben.